Ju-Jutsu: Weltmeisterschaft 2006
Der Adler ist gelandet...
...hätte die Überschrift zu diesem Bericht eigentlich lauten sollen. Mit sehr guten Aussichten auf einen Titelgewinn startete LJC-Mitglied Seher Dumanli am 17.November bei der Ju-Jutsu-Weltmeisterschaft in Rotterdam.
Konditionell topfit und psychisch ausgeglichen trat sie ihren ersten Kampf gleich gegen die schwerste Gegnerin des Tages, die Polin Makula, an. Der polnische Verband hatte, wie von uns bereits erwartet, nicht Sehers Dauerkonkurrentin, die amtierende Weltmeisterin Chlipala, nach Rotterdam geschickt, sondern ihre in diesem Jahr deutlich erfolgreichere Teamkollegin Makula. Seher ließ ihrer Gegnerin nicht den Hauch einer Chance und fegte sie mit einem Vorsprung von mehr als 15 Punkten von der Matte. Alles schien perfekt zu sein.
Im zweiten Kampf erwartete sie die Dänin Lüthje. Niemand zweifelte daran, daß Seher gegen diese vergleichsweise schwache Gegnerin deutlich überlegen gewinnen würde. Doch bei Kampfbeginn war Seher wie abgeschaltet. Keine Ähnlichkeit mit dem Feuerwerk ihrer ersten Begegnung. Nahezu widerstandslos ließ sie die Dänin Punkt um Punkt deren Vorsprung ausbauen. Fassungslosigkeit herrschte bei Heim- und Bundestrainern, den Mitgliedern der deutschen Nationalmannschaft und den drei mitgereisten Lübecker Schlachtenbummlern. So hatte noch niemand Seher erlebt. Sie schien auf der Matte zu schlafen. Die taktischen Anweisungen der Trainer ignorierte sie einfach. Eine vollkommen unnötige Niederlage beendete den Traum vom Gewinn der Weltmeisterschaft.
Erst nach Verlassen der Kampffläche wurde Seher wieder richtig wach. Verzweifelt und vollkommen aufgelöst, wollte sie den nächsten Kampf nicht mehr antreten. Es kostete viel Mühe, sie davon abzubringen und zum Weitermachen zu überreden.
In desolater psychischer Verfassung stellte sie sich im "Kleinen Finale" dem Kampf um Platz 3 und dem besonders harten Kampf gegen sich selbst. In dieser Begegnung war die Französin Lavis zu schlagen. Lavis -eigentlich die französische Nummer Zwei in der Klasse bis 70kg- startete als Ersatz für die verletzte Pivot in Sehers Gewichtsklasse über 70kg. Seher begann den Kampf zwar nur halbherzig, steigerte sich jedoch. Doch ihre Techniken wurden von den Kampfrichtern ignoriert. Mindestens acht Punkte für vier klare Treffer wurden nicht gegeben. Als Seher dann von der Französin mit Schenkelwurf von den Beinen geholt und mit Haltetechnik am Boden fixiert wurde, gab Seher 11 Sekunden vor Kampfende frustriert auf. Damit war nicht einmal die Verteidigung des dritten Platzes der WM 2004 gelungen.
Lange Gesichter bei den Teamkollegen, Tränen der Verzweiflung bei Seher und Frust und Unverständnis bei den Trainern war das, was von den Kämpfen übrig blieb.
Wenn die Emotionen sich gelegt haben, werden die Auslöser für Sehers Blackout analysiert werden müssen. Ebenso müssen neue Ziele gesteckt werden: Verteidigung der Europameisterschaft im nächsten Jahr, erneuter Griff nach dem WM-Titel 2008 in Brasilien und bei den World Games 2009 in Taiwan bieten Möglichkeiten genug. Daß diese Ziele nicht unrealistisch sind, hat Seher in zwei Jahren ohne Niederlage und im ersten Kampf dieser Meisterschaft bewiesen: Der Adler hätte landen können.
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