Dr. Roman Westfehling: Wie kam ich zum Karate?
Bald hab' ich meine 30 Jahre voll. 30 Jahre Karate-Training! Obwohl, wenn ich zurückblicken soll: Karate kann man das eigentlich nicht nennen, was wir damals so getrieben hatten, gemessen an unserem jetzigen Standart jedenfalls nicht.
Aber damals waren noch andere Zeiten. Karate galt damals als "gefährlich". Man durfte es im Lübecker Judo-Club erst mit 16 Jahren beginnen. Ich begann damals meinen ersten Regelverstoß, denn ich war zwar im 16. Lebensjahr, hatte dieses aber noch nicht vollendet, das heißt ich war gerade "erst" fünfzehn Jahre alt. Ein interessanter Gesichtspunkt, wenn man bedenkt, daß heute die Kinder mitunter schon vor der Einschulung zum Training geschickt werden. Ich hatte schon einige Jahre Judo gelernt, und blieb auch noch bis in meine Studienzeit in Kiel dabei.
Es war die Zeit der Eastern, der Filme aus Hongkong. Als Gelbgurt sah ich den ersten Film dieser Art in Lübecks Kinos: "Ciao, der Unbesiegbare". Diese Kung Fu-Filme im Kino (!) ließen mich nur ahnen, was alles möglich ist. Obwohl ich mir natürlich über die Fiktion im Klaren war, verstand ich genauso, daß das, was mir bisher lehrtechnisch geboten wurde eher spärlich war.
Ich begann zu suchen, zunächst in der ebenfalls noch spärlichen Literatur. Später suchte ich Rat, unter anderem bei Holger Brückner und Dieter Steen. Beide waren zwar Judoka hatten aber regelmäßig japanische Lehrer in ihren Schulen zu Gast, für die damalige Zeit unvorstellbar. Durch die Hilfe beider konnte ich den Kontakt zu Sensei Demura herstellen. Zu ihm wollte ich hin. Ihn hatte ich im Fernsehen gesehen, ich hatte seine Bücher gelesen, und außerdem war er mir auf den Bildern irgendwie sympathisch.
Im März 1981 war ich dann zum ersten Mal im Dojo von Sensei Demura. Es tat sich eine ganz andere Karate-Welt für mich auf. Vieles in der damaligen Zeit Gelernte trägt heute erst Früchte. Neben technischen Fähigkeiten lernte ich auch viel Hintergründiges, meine ersten Shito-Ryu- und Kobudo-Kata. Aber ich sah auch viele Leute mit einer heiteren Art Karate betreiben, etwas was ich hier selten erlebte.
Es folgten einige weitere Besuche. Den Traum, meinen Meister einmal nach Deutschland einzuladen, konnte ich aber lange nicht verwirklichen, weil mir die Möglichkeiten fehlten. So trainierte ich erst einmal 10 Jahre in der Sportschule Tokugawa zusammen mit Rainer Kummerfeld und Dieter Flindt, zunächst unter Sensei Yasuyuki Fujinaga und später Sensei Akio Nagai. Eine schöne und erfolgreiche Zeit bis ich aufgrund anderer Ansichten die Schule verließ. Rainer Kummerfeld war mittlerweile der Trainer in unserem Verein (Itosokai Karate-Do Lübeck e. V.) und lud mich ein, hier weiter- bzw. mitzumachen.
Später kam es zu heftigen Veränderungen im Vereinsvorstand, wodurch ich, ohne es zu wollen langsam in die Trainerrolle wuchs. Mir wurde zu der Zeit die Begrenztheit des so verbreiteten Shotokan-Karate immer mehr bewußt. Das beim Sensei Gelernte gewann in meiner Trainings-praxis immer mehr an Gewicht.
Als Sensei Demura dann endlich am 16. August 1991 gegen 15.40 Uhr auf dem Hamburger Flughafen eintraf, hatte ich schon ein merkwürdiges Gefühl. Ein Wiedersehen nach so langer Zeit und unter vollkommen anderen Umständen, ein neuer Abschnitt in meinem Karateleben sollte beginnen.
Im Jahr danach fuhr ich erneut hinüber, diesmal um meine Prüfung zum 1. Dan Shito-Ryu abzulegen, wodurch ich endlich ein "vollwertiges" Mitglied in der Itosukai-Gemeinschaft wurde. Ich hatte zwar schon den 3. Dan bei Sensei Nagai im Shotokan erhalten, aber ich empfand es nur als gerecht, daß mich Sensei Demura mit dem gleichen Recht behandelte wie seine übrigen langjährigen Schüler.
In der folgenden Zeit lernte ich viele wichtige Leute kennen: Sensei Mitsuya und Sensei Nakahashi, sowie deren Schüler Mimmo Vermiglio und Carlos Molina. Wir wurden schnell Freunde und haben es geschafft unserem gemeinsamen Karate-Stil einen angemessenen Platz in der deutschen Karate-Welt zu verschaffen. Freunde in Dänemark, wie John Hansen, Mette Orthmann und Leif Nielsen oder Paco Camarena und Bernardo Marfil in Malaga, Spanien kamen hinzu. Ich kann leider nicht alle nennen.
Sensei Demura stellte immer wieder klar, daß ich seine Nummer Eins in Germany bin. Welch eine Ehre! Aber so ist das Leben. Nichts ist umsonst. Ich habe eine Position erreicht, die ich eigentlich gar nicht wollte. Denn eigentlich wollte ich nur einen persönlichen Meister, der mir Kobudo beibringt, und ansonsten meine Ruhe .....